Entfernung von Reifenabrieb aus der Umwelt
Entfernung von Reifenabrieb aus der Umwelt
In einer Bachelorarbeit wurde völlig überraschend herausgefunden, dass Reifenabrieb magnetisch ist. Im Rahmen mehrerer Studien- und Bachelorarbeiten wurde darauf basierend ein Verfahren zur magnetischen Abscheidung von Reifenabrieb aus Strassenabwasser entwickelt. Dieses wurde zum Patent angemeldet.
Problem
Mit 8’100 Tonnen jährlich ist der Reifenabrieb die weitaus wichtigste Quelle für den Eintrag von Mikroplastik in die Schweizer Umwelt (davon 6'300t/a in Böden). Zum Vergleich: nur 2'700 Tonnen Plastik werden jährlich durch Littering in die Umwelt eingetragen. Auch mit dem Wandel zu Elektromobilität bleibt Reifenabrieb ein Problem.
Reifenabrieb ist aus mehreren Gründen schädlich für die Umwelt. Erstens enthält das Reifenmaterial selbst schon schädliche Schwermetalle wie zum Beispiel Zink. Zweitens hat er eine sehr kleine Korngrösse, sodass er von Organismen leicht aufgenommen werden kann. Drittens hat Reifenabrieb eine sehr grosse spezifische Oberfläche, welche Schadstoffe adsorbieren kann, z.B. PAK aus teerhaltigen Strassenbelägen.
Wegen der hohen Ansprüche an die technischen Funktionen von Fahrzeugreifen, gibt es keine praktikable Möglichkeit den Reifenabrieb emissionsseitig, also durch Modifikation der chemischen Zusammensetzung von Reifen, zu minimieren. Um es auf den Punkt zu bringen: "Ein Reifen der nicht abreibt, bremst auch nicht". Eine technische Lösung kann aus diesem Grund nur "end of pipe" gelingen, also durch das Einsammeln des Reifenabriebes nach dessen Entstehung.
Innovativer Lösungsansatz
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Im Rahmen einer Bachelorarbeit zur Untersuchung der Eigenschaften von Reifenabrieb wurde entdeckt, dass zumindest ein Teil des auf der Strasse befindlichen Reifenabriebs magnetisch ist - obwohl Reifenmaterial grundsätzlich unmagnetisch ist. Unsere Untersuchungen haben ergeben: Der Reifenabrieb liegt in Form von kleinen zylindrischen Körpern vor, welche typischerweise einen Durchmesser zwischen 10 und 500 Mikrometer aufweisen.
Eingewalzt in diese Körper sind bemerkenswert grosse Mengen an Fremdstoffen. Hierbei handelt es sich zumindest teilweise um (magnetischen!) Rost, welcher von Fahrzeugen abgeblättert ist oder als Bremsabrieb auf die Strasse gelangte. Der Effekt ist vergleichbar mit den in den Abrieb von Radiergummis eingewalzten Graphitpartikeln eines Bleistifts (Abb. 1). Ebenfalls eingewalzt in den Reifenabrieb sind Schwermetalle wie Kupfer und Zink, die unter anderem aus Bremsabrieb stammen. Weil Reifenabrieb von Magneten angezogen wird, ermöglicht dies eine hochselektive Abtrennung der sehr kleinen Menge an schädlichem Reifenabrieb, aus der grossen Menge an unschädlichem, mineralischem Strassenstaub.
Verifikation auf den Strassen von Rapperswil
Da ca. 35% des gesamten Reifenabriebes in der Schweiz durch Wasser von der Fahrbahn gespült wird und in Oberflächengewässer gelangt, ist es sinnvoll den Reifenabrieb vor der Abspülung in die Strassenböschung aus dem Strassenabwasser zu entfernen. Versuche mit einem Magnetklebeband, welches in der Abwasserrinne neben der Fahrbahn angebracht wurde, haben gezeigt, dass sich Reifenabrieb hier sammeln lässt (Abb.2).
Abb. 2: (links) Zwei Magnetklebestreifen wurden in die Wasserablaufrinne einer Strasse eingeklebt und zwei starke Magnete in einem Strassensammlerschacht installiert. Das auf diese Weise magnetisch abgeschiedene Material enthielt grosse Mengen an Reifenabriebpartikeln.
Abb. 3: Verwendung von Betonelementen mit integrierten Magneten (schwarz). Der mit dem Strassenabwasser abfliessende Reifenabrieb wird auf diesen Magneten fixiert und durch die Strassenreinigung entfernt.
Projekt tireX
Zunächst wurde die Erfindung durch eine Patentanmeldung abgesichert. Dann wurde das Forschungsprojekt "tireX" zusammen mit drei Schweizer Unternehmungen, die ein kommerzielles Interesse an der Entwicklung haben, initiiert.
Begleitet wird das aktuell noch laufende Forschungsprojekt durch Bachelor- und Studienarbeiten, in deren Rahmen Teilaspekte des Projekts erforscht und weiterentwickelt werden. Im Rahmen von zwei Studienarbeiten wurde zunächst eine Messmethode entwickelt, um die Menge an Reifenabrieb in einer Materialprobe zu bestimmen. Im Rahmen einer weiteren Bachelorarbeit wurden magnetische Betonelemente entwickelt, die zum Bau von Strassenabwasserrinnen eingesetzt werden können (Abb. 3).
Das Projekt tireX zeigt eindrucksvoll auf, wie eng die Studien- und Bachelorarbeiten mit unseren Forschungsprojekten verzahnt sind. Die Studierenden können hierdurch die erlernte Theorie in die Praxis umsetzen. Sie sind nicht nur aktiv beteiligt an aktuell "heissen" Entwicklungen zur Verbesserung der Umwelt, sondern sie bekommen auch einen Einblick in die Tätigkeitsgebiete unserer Industriepartner.
Autor
Prof. Dr. Rainer Bunge
Institut für Umwelt- und Verfahrenstechnik
Fachstelle Recycling